Kafue – der größte Nationalpark Zambias (Teil 1)

Der nächste Teil unserer Reise ist der Kafue Nationalpark, den wir 10 Tage lang von Süden nach Norden erkunden wollen. Gegründet 1950 ist er Sambias erster und auch größter Nationalpark.  Mit einer Fläche von 22.480 km2 –  das entspricht etwa der halben Schweiz – zählt er wohl zu den weltweit größten Schutzgebieten. Der Kafue selbst, Namensgeber des Parks, ist gleichzeitig das längste Fließgewässer auf sambischem Boden.

Die meisten Touristen sehen per fly-in in eine der Luxuslodges nur einen kleinen Ausschnitt, wir hingegen nehmen uns ausgiebig Zeit für die diversen Habitate bestehend aus Sümpfen, Savannen, Wäldern, Flutebenen und natürlich dem riesigen vom Kafue gespeisten Itezhi-Tezhi Stausee. 

Aus Livingstone raus steuern wir Luna zunächst in Richtung Kalomo. Auch wenn der Verkehr mit Autos in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat, bleibt das Fahrrad ein vielgesehenes und vielseitiges Transportmittel für Holz, Kohle, quer montierte Bambusmatten, Wasserkanister und allerlei Lebensmittel, einschließlich stapelweise frischer Eier, die bedrohlich in den Waben schaukeln. Erstaunlich, welch abenteuerliche Skulpturen sich auf ein einzelnes Fahrrad packen lassen, und hernach gekonnt vom jeweiligen Fahrer ausbalanciert werden. Natürlich sehen wir auch die beliebten Fahrradtaxis, teils vorbildlich mit Warnweste ausgestattet. 

An den Bushaltestellen, die wir passieren, bieten Händler Holzbündel an, andere offerieren aufgetürmt in kunstvollen Pyramiden Tomaten, Zwiebeln oder diverses Obst. Selbst so manches lebende Huhn wird bei unserem Näherkommen in die Höhe gereckt zum Zeichen seiner Verkäuflichkeit. Wir nehmen uns vor, bei Gelegenheit unsere Vorräte entlang der Straße aufzustocken anstatt im städtischen Supermarkt (außer natürlich das lebende Huhn). 

Alle paar 100m stehen zahlreich Holzkohlensäcke zur Abholung bereit – nach wie vor für 90% der ländlichen und 50% der städtischen Haushalte die primäre Energiequelle. Die Abholzung im Busch schreitet dadurch bedenklich voran, auch wir bemerken deutlich geschwundene Waldflächen im Vergleich zu unserer letzten Reise in diese Gegend vor 10 Jahren. Das Gegensteuern der sambischen Regierung scheint hier nicht nur an der mangelnden Infrastruktur für alternative Energiequellen zu scheitern, sondern wohl auch daran, dass die Herstellung von Holzkohle für die meist Subsistenz-Landwirtschaft betreibenden Menschen am Land oft die einzige Einkunftsquelle darstellt. 

In Kalomo füllen wir unsere Tanks für den langen Trip durch den Kafue ordentlich voll (230 Liter fließen in Lunas Tanks). Dann geht’s ab auf die rote Wellblech-Piste, die uns über rund 70km zum Dundumweze Gate, dem südlichen Eingang des Parks, führt. Mehrmals wechseln wir die Straßenseite auf der Suche nach den besseren Fahrspuren und auch, um mal nach links und mal nach rechts zu hängen. Auch Kuhherden beanspruchen bisweilen die ganze Straße und zwingen uns, die Geschwindigkeit zu drosseln. Wer Wellblech kennt, weiß, dass es angenehmer ist, mit mehr als 80km/h auf den Wellen-Kuppen zu driften anstatt jede Erhebung langsam auszufahren. Am Steuer fühlt sich das dann an wie permanentes Aquaplaning, da die Reifen die halbe Zeit keinen Bodenkontakt haben – schnelle Lenkbewegungen sind tabu, die Fahrweise ist ähnlich jener auf durchgehender Schnee- und Eisfahrbahn. Ich bin froh, dass Martin so ein guter Drifter ist und Luna gut im Griff hat.

Untrügliches Zeichen, dass wir gleich ein Dorf durchfahren, sind die aufgeschütteten Schwellen, meist in abenteuerlicher Höhe erlauben sie nur Schrittgeschwindigkeit. Die Menschen winken erstaunt und freundlich am Wegesrand, so oft kommt hier so eine Hütte auf Rädern auch nicht vorbei. Es gefällt uns schon wieder sehr, mit Luna Hügel auf und ab im zambischen Hinterland abseits der Hauptstraßen zu cruisen. Ackerflächen mit unterschiedlichen Feldfrüchten säumen unsere Route abwechselnd mit Buschland. Wenn wir Zambia eine Farbe zuordnen wollten, so wäre es das helle Grün bestimmter Bäume, das sich saftig satt von der roten Piste und den dunklen Brauntönen der noch trockenen Büsche abhebt. 

Wir checken am Nachmittag beim Dundumweze Gate ein und dürfen für eine Nacht auf dem Fußballfeld gleich hinter dem Gate unser Camp aufschlagen. Es ist eine perfekt ebene Fläche umsäumt von großen knorrigen Bäumen und heute kommt auch keiner mehr zum Kicken. Fußball gibt’s aber trotzdem, leise dringen die Stimmen der Kommentatoren eines Matches der hier sehr beliebten englischen Premier League aus dem Fernseher im Gebäude des Nationalpark-Guards zu uns herüber. Besuch haben wir lediglich von Fliegen, ein paar neugierigen aber glücklicherweise scheuen Makakken und einem Huhn, das den harten Untergrund des Fußballfeldes auf der Suche nach ein paar Maden auflockert. 

Dann, man glaubt es kaum, strampelt der Transportradler, den wir vor Stunden überholt haben, vorbei am Gate ins Lager nebenan, um nach kurzem Aufenthalt mit ebensolcher Energie und bestückt mit neuer Ladung den Weg in die umgekehrte Richtung zu attackieren. Wir schauen verdutzt ob solcher Fitness und loben die Robustheit des schwarz-silbrig schimmernden Gefährts. Jeder Lieferando-Bote würde hier nach kurzer Zeit erschöpft im Straßengraben liegen! 

Wir nutzen das heutige Camp auch, um das Auf- und Abbauen unserer Markise zu testen. Unter Schnellstudium der grafischen Anleitung gelingt es uns auch auf Anhieb. Nach Sonnenuntergang machen wir Feuer, damit es im Strafraum vor dem gegnerischen Tor mal so richtig brennt. 

Früh am nächsten Morgen brechen wir auf tief hinein in den Park, zunächst in die Nanzhila Plains. Der Kafue Nationalpark ist geprägt von hoher Artenvielfalt, allein 21 Antilopenarten sind hier heimisch, unter anderem der massige Defassa-Wasserbock, Leier- und Rappenantilopen sowie die seltene Liechtenstein-Antilope. Umgestoßene Bäume, abgeschabte Rinde und Trampelpfade, Pfoten- und Hufabdrücke sind deutliche Spuren von ausreichend Tierbestand; auch wenn uns der dichtere Busch noch den Blick darauf versperrt. 

Doch schon bald zeigen sich die ersten Wildtiere: eine Herde Pferdeantilopen und später die ersten Wasserböcke. Allgegenwärtig sind die flinken Buschhörnchen, die sich mit wenigen beherzten Sätzen über die Straße auf den nächsten Baum flüchten, sobald sie Lunas tiefes Brummen vernehmen. Wir erinnern uns an Begegnungen mit Wildhunden, die wir vor vielen Jahren in der Baumsavannen und Sumpfebenen unweit des Nanzhila Camps hatten. Es war nicht zu erwarten, dass dies nochmals gelingt, wir sichten dafür Kraniche und die riesigen Ground-Hornbills, die sich überwiegend am Boden bewegen, und nur fliegen, wenn es denn unbedingt sein muss. Luna schafft es, dass der eine oder andere mal seine Flügel benutzt und somit in Übung bleibt.

Gegen Mittag erreichen wir Itezhi-Tezhi (hier „ITT“ genannt). Schnell wird klar, der Wasserstand des vom Kafue gespeisten Stausees ist aufgrund der Trockenheit deutlich geschrumpft, die letzten beiden Regenzeiten in Zambia waren sehr schwach, sodass die theoretische Speicherkapazität von 6000 Mio. m³ bei weitem nicht genutzt wird. Auch wenn der Wasserstand gut 15 Meter unter „normal“ ist, verblüfft der vom Kafue Stausee mit seiner enormen Ausdehnung (ca. 390 km2 hat er normalerweise). Der 62 Meter hohe Damm mit 1.800 Metern Kronenlänge und das 120MW-Kraftwerk werden heute von einem Joint Venture des staatlichen Stromkonzerns und der indischen Tata Group betrieben.

Wir schlagen unser Lager am Campsite der New Kalala Lodge zwischen großen runden Granit-Boldern mit Panorama-Blick auf den See auf. Dieser ist reich an Fisch und so gönnen wir uns zum Abendessen im Restaurant der Lodge die wohl größten gegrillten Brassen, die ein einzelner Mensch auf einmal essen kann. Stolz präsentiert uns der Chef auch die beiden Weißweine, die zur Auswahl stehen, wir wählen den südafrikanischen Sauvignon Blanc.

Am Campsite sind wir die einzigen, und so haben wir eine sehr stille Nacht, nur einmal durchbrochen von den aufgeregten Schreien zweier rivalisierender Paviane. Erst im Morgengrauen wecken uns die markanten Rufe der Seeadler, die dem jeweils anderen vielstimmig antworten. Uns stört es nicht, da wir die Vögel sehr mögen und sowieso rasch aufbrechen wollen zu einem Gamedrive. 

Nach einem schnellen Kaffee cruisen wir schon am Seeufer entlang. Zunächst auf Wellblech und in der Nähe des Musa Gates ist noch nicht viel zu sehen. Der Tierreichtum erschließt sich erst, als wir die in der Trockenzeit befahrbaren Flutebenen erreichen.  Luna fährt sich locker auf dem Seegrund, der eine ideale ausgedehnte Weiden für zahlreiche Herden von Pukus, Impalas und Zebras bietet. Wir fahren raus zu einer „Insel“ und entdecken prompt drei dösende Löwen auf einer kleinen Erhebung unter Büschen, unbesorgt grasende Zebras direkt dahinter.

Neugierig nähern wir uns dem ehemaligen Hippo Bay Campsite. Das glänzend weiße Porzellan dreier noch immer fest verankerter WCs und verchromte Wasserhähne sind stumme Zeugen der einstigen komfortablen Infrastruktur. Die Eckpfosten und Dachbalken der Gebäude sind noch da, die Wände drum herum verschwunden. Warum der Platz trotz seiner herausragenden Lage aufgegeben wurde, wissen wir nicht. Das Bild verstärkt in uns jedoch eine leichte Sorge über den Zustand des Tourismus hier, denn es scheinen sich nur sehr wenige Gäste in diese Region zu verirren. Wir haben seit dem Gate kein einziges anderes Fahrzeug gesehen!

Nach Hippo Bay fahren wir inmitten eines Waldes aus toten Bäumen, die normalerweise unter Wasser sind, und finden in einer Senke eine Herde Büffel. Später im Buschland angekommen, verfolgt uns eine Armada an Tsetse-Fliegen. Hagelkörnern gleich nageln sie ununterbrochen gegen die Scheiben. Wir sind froh, nicht in einem offenen Gamedriver zu sitzen, denn in unserer Luna sind wir sicher vor den brennenden Bissen dieser kleinen Biester. Warzenschwein-Familien queren mit aufgestellten Schwänzen die Straße. Sie schicken uns aufgeregt einen kurzen Kontroll-Blick retour und setzen im Schweinsgalopp den Weg in den sicheren Busch fort. 

Es wird zu heiß und wir kehren gerne in den Schatten unsers Lagers zurück. Possierlichen Dassies (Klippschliefer) wuseln spielerisch um und auf den Granitblöcken im Camp umher, manche klettern sogar auf Bäume. Erstaunlich, dass diese kleinen Tiere mit den mächtigen Elefanten verwandt sind. 

Windböen verstärken die Hitze, wir messen 37,8 Grad (hier ist gerade Frühling!). Den Nachmittag verbringen wir daher mit einem Buch am Pool. Wieder haben wir ihn für uns allein, zumindest, bis kleine Makaken vorsichtig das Kinderbecken als Tränke benutzen und ein Dassie es sich unter der Liege nebenan bequem macht.

Mehrere Fahrzeuge kommen an, im Restaurant versammeln sich rund zwanzig einheimische Männer und blicken gespannt empor zum erhöht an der Wand montierten Fernseher – vermutlich der einzige im Umkreis – um das sonntägliche Spiel der britischen Premier League zu verfolgen. Der Kellner verrät uns seinen großen Traum, einmal ein Match von Manchester City live in einem großen Stadion mitzuerleben. 


Den Sonnenuntergang genießen wir am Granitfelsen in unserem Camp. Nach Einbruch der Dunkelheit wird es ruhiger, nur die Paviane quietschen noch unruhig von ihrem Schlafbaum. Wir hingegen lauschen dem Flackern des Lagerfeuers und stimmen uns in Gedanken auf die morgige Etappe ins Zentrum des Kafue Natioanlparks ein. 

Tipps Kafue Süd:

  • Kalomo hat die letzte Tankstelle vor der Südzufahrt zum Kafue Nationalpark,  wenn man nicht bei Itezhi-Tezhi aus dem Park hinausfahren will – also ordentlich auffüllen!
  • Die „Main Road“ ist die Transitroute, für deren Benutzung zwar kein Parkeintritt fällig wäre, allerdings besteht sie vor allem auf den letzen 50km vor Itezhi-Tezhi aus beinhartem, nervtötendem Wellblech. Es empfiehlt sich daher, mehr Zeit einzuplanen und auf den Seitenstraßen zu fahren und den ohnehin nicht hohen Eintritt zu bezahlen.
  • Die Lodges und Camps bei Itezhi-Tezhi eignen sich gut zum Entspannen für zwei Tage. Durch die Nähe des Kraftwerkes gibt es hier auch Mobilfunk-Empfang (ab hier ist Digital Detox angesagt, wenn man kein Satelliten-Internet dabei hat. Erst entlang der Hauptstraße durch den Park gibt es wieder schwaches GSM-Netz).

2 Responses

  1. Liebe Eva und Martin,
    Wir sind erst seit 3 Wochen wieder zurück, aber wenn wir eure tollen Fotos ansehen, möchten wir sofort wieder los.
    Danke für die großartigen Berichte.
    Liebe Grüße Gisela und Hannes

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