Von Rundu an der Grenze zu Angola suchen wir für unsere letzten zwei Buschnächte auf dieser Reise noch eine nette Location nicht zu weit von Windhoek entfernt und werden in der Otjiwa Safari Lodge fündig.
Die Fahrt dorthin ist jedoch sehr lang, über 550km sind zu bewältigen auf der schnurgeraden, einschläfernden B1. Wir bauen ein paar kurze Pausen ein für Tee und einen kleinen Snack. Entlang der Route sehen wir vermehrt Gewitterzellen schon von Weitem. Deutlich heben sich die dunkelgrauen Regenfronten vom klaren, hellen Himmel daneben ab. In der Gegend von Otiva erwischt uns eine Gewitterfront dann mit voller Wucht, Regen und Wind peitschen den Staub von Lunas Motorhaube. Für kurze Zeit werden wir in den Spurrillen auf der Straße zum Boot und Martin fährt hochkonzentriert bei verschwommener Sicht und starkem Aquaplaning. Glücklicherweise sind wir nach 15 Minuten durch und der Regen lässt nach.
Otjiwa gefällt uns sofort, der Empfang in der Rezeption ist herzlich und wir bekommen einen tollen Buschsite, weit weg vom Hauptgebäude. Da es noch immer regnerisch aussieht, beschließen wir das geplante letzte Braai noch um einen Abend zu verschieben und uns im netten Farmhouse-Restaurant der Lodge bekochen zu lassen. Zu groß die Gefahr, dass wir statt Feuer und Glut im nassen Wetter nur eine Menge Rauch produzieren und das Braai im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fällt.
Zuvor geht sich aber noch eine Runde Schwimmen für mich aus, der runde Pool liegt gleich neben dem Wasserloch und der Futterstelle für die auf Otjiwa lebenden Antilopen, die wir dort ausgezeichnet beobachten können. Neben Springböcken, Impalas und Wasserböcken, kommt auch eine große Gruppe Nialas daher. Die haben wir bisher auf der Reise noch nicht gesehen. Die Tiere sind Menschen gewohnt, und ich wage mich für ein paar gute Bilder an einen der großen dunkelgefärbten Böcke sehr nah heran, was Martin zum Kommentar veranlasst „noch ein bisschen näher und du kannst auf ihm reiten“. Das mache ich natürlich nicht, dazu habe ich vor den langen spitzen Hörnern dann doch zu viel Respekt.
Am Morgen des Folgetages unternehmen wir mal was ganz Neues, eine Safari am E-Bike. Die Lodge hat tolle Spezialized Fullies mit ordentlich breiten Reifen für diese Aktivität. Unser Guide Robert möchte von uns noch vor der Abfahrt wissen, woran wir besonders interessiert sind. Als wir sagen, dass wir gerne auch mal die kleinen Tiere sehen wollen, grinst er begeistert und bückt sich sogleich, um ein Insekt vom Boden zu klauben. Damit schließt sich der Kreis der Termitengeschichten und wir bekommen die Tierchen doch endlich mal auch zu sehen. Der Regen war der Startschuss für den Ausflug der Termitenprinzen und -prinzessinnen. Zu Tausenden sind sie am Vorabend umhergeschwirrt und haben, kaum einen Partner gefunden, die Flügel abgeworfen. Am Boden waren sie dann jeweils paarweise zu beobachten. Die Weibchen graben sich nach der Paarung tief in den Boden ein und beginnen mit der Gründung eines neuen Termitenstaates. Die Flügel lagen in der Früh vom Wind zu kleinen Haufen zusammengeblasen überall am Boden herum.
Wir fragen nochmal kurz nach, dass es im Park eh keine Löwen gibt, und nach der erwünschten Antwort und kurzer Erläuterung der Schalter am Bike paddeln wir los auf die roten Sandpisten.
Durch den starken Regen am Vorabend haben sich allerdings auf den Wegen viele rutschige Schlammpfützen gebildet, die wir teils querfeldein umfahren müssen. Das gelingt leider nicht immer, und so schlingern wir unter Zuschalten von mehr Power vom Akku nicht ganz ohne Absteigen hindurch. In Kürze sind die Reifen zentimeterdick so stark mit einer Mischung aus Schlamm und Sand paniert, dass sie stecken bleiben. Auch an unseren Sportschuhen pickt mittlerweile eine zusätzliche 5cm-Sohle dran. Wir müssen von Reifen und Schuhen die klebrige Schicht so gut es geht entfernen, bevor es weitergehen kann.
Trotz dieser schlammbedingten Pausen macht es enormen Spaß durch den Busch zu radeln, interessanterweise kommen wir ziemlich nah an die Antilopen heran, und auch Giraffen laufen elegant und mit relativ geringer Fluchtdistanz vor uns auf dem Weg dahin. Der Schlamm und der nasse Sand haben auch einen Vorteil: man sieht frische Tierspuren extrem gut, und es fällt uns leicht zu identifizieren, welche Spezies hier entlanggelaufen sind und in welche Richtung. Wir entdecken den frischen Track eines Rhinos und beschließen gemeinsam mit Robert, ihm zu folgen, in der Hoffnung, das mächtige Tier eventuell zu Gesicht zu bekommen. Aber die Spur biegt dann leider zwischen dichte Dornbüsche ab, wohin wir mit den Rädern nicht folgen wollen. Diesmal also doch kein Rhino. Weiter geht’s in die andere Richtung zu Wasserlöchern mit Blue Wildebeasts und noch mehr Giraffen. Robert erklärt uns einige Vögel, und endlich kommt auch ein „Berg“. Hoch erfreut über diese Gelegenheit, ein bisschen zu trainieren, geben wir Gas und setzen unser Mountainbike auch artgerecht ein. Oben am Hügel angekommen begeistert uns ein 360-Grad Rundumblick über die Buschlandschaft, die in den wunderbaren Afrikafarben rot, strohgelb, mint, braun und grün strahlt. In der Ferne erkennen wir auch das Waterberg-Plateau wieder, an dem wir vor einigen Wochen unsere Reise begonnen haben.
Bei der Abfahrt vom Aussichtshügel hat das Vorderrad unseres Guides dann einen Platten. Die Inspektion ergibt mehrere Dorneneinstiche in den Reifen. Er hat ein Flickzeug dabei und stopft zunächst mal die Löcher. Für das Aufpumpen verblüfft er uns mit seiner Buschmethode. Die Gaskartuschen, die er in seinem Rucksack für solche Fälle mitführt, sind leider schon leer, also zuckt er mit den Schultern und beginnt mit der „Mund-zu-Schlauch-Beatmung“. Mir wird vom Zusehen schon schwindlig. Am Ende ist die Mühe jedoch nicht von Erfolg gekrönt, der Druck reicht nicht aus, um die vielen notdürftig verklebten Löcher zu verschließen, die Luft entweicht sofort wieder. Wir hören in der Nähe einen Pickup, den Robert aufhält und bittet, von der Lodge eine richtige Pumpe zu holen. Bis diese eintrifft, paddeln Martin und ich nochmal zum Aussichtspunkt hinauf und sehen dabei einen Löffelhund über den Weg huschen.
Nachdem Roberts Rad wieder halbwegs fahrtüchtig und die rettende Pumpe quer hinter seinem Rucksack verstaut ist, können wir unsere Tour fortsetzen. Es bleibt lustig und wir genießen die kurvige Fahrt durch den Busch, alle 10 Minuten unterbrochen durch einen Aufpump-Stopp.
Am Nachmittag machen wir es uns am Pool gemütlich, diesmal ohne Regengefahr. Um 17:00 Uhr geht‘s dann los zum Sundowner Drive. Auch wenn wir schon viel über den Busch wissen, ist es immer interessant, den Erklärungen der Guides zu ihrem Park zu lauschen. Weitere vier Gäste klettern in den zum Game Drive Vehikel umgebauten Mahindra. Sie stehen alle noch ganz am Beginn ihrer Reise und sind bei ihrer ersten Safari noch dementsprechend aufgeregt und hellauf begeistert, ihre erste Giraffe in 200m Entfernung zu erspähen. Unser Fernglas wird herumgereicht, damit die Neulinge die Geier und herrlichen Weißbürzel-Singhabichte auch erkennen können.
Wir teilen gerne unsere Merkhilfen für die Unterscheidung von Impalas und Springböcken und geben, da wir in der ersten Reihe sitzen, die Infos von Guide Eddie weiter, wenn diese – vom Motorengeräusch überdeckt – nicht für alle verständlich ankommen. Wir erinnern uns an unsere ersten Safaris und freuen uns über die enorme Begeisterung der Rookies über jedes einzelne gesichtete Tier. Welche Freude der afrikanische Busch doch bereiten kann! Die Stimmung ist gut, und Eddie hat Spaß daran, mit uns die deutschen Bezeichnungen der Tiere zu erproben.
Die Fahrt führt uns an unseren tiefen Fahrradspuren vom Morgen vorbei und noch etwas weiter in das 12.000 Hektar große Privatreservat hinein. Dann haben wir doch noch Glück mit den Rhinos. Eine Mutter mit ca. 1-jährigem Kalb ist bei einem der Wasserlöcher am Grasen, oder besser gesagt, sie tauchen ihr breites Maul in den großen mintgrünen Futterhaufen, der dort aufgeschüttet wurde, um die Tiere durch die harte Dürre zu bringen. So viel frisches Grün wächst auf der Ebene leider nicht mehr, und da das Resort eingezäunt ist, können die Tiere auch nicht einfach auswandern auf der Suche nach besseren Futterplätzen. Zunächst wollen die Rhinos vor uns türmen, beruhigen sich aber und kehren zu ihrem Futterplatz zurück. Das gibt uns die Chance, sie richtig gut zu beobachten. Später finden wir noch Weißschwanzgnus und die massigen Elenantipolen.
Abschließend treibt Eddie den Mahindra den Hügel hinauf zum Sundowner-Ausblick. Dort werden auf Tischen die Snacks und eine Auswahl an Drinks aufgebaut. Martin und ich entscheiden uns für den Klassiker, einen GT. Die leichte Bewölkung am Himmel verspricht einen besonderen letzten Sonnenuntergang im Busch. Die rote Strahlung der herabfallenden Sonne bringt die Wolken zum Leuchten, die dunklen Umrisse der Büsche, Bäume und Berge stehen in wunderschönem Kontrast zum noch sichtbaren gelb-roten Streifen am Horizont, bis auch dieser langsam verschwindet.
In den letzten Wochen haben wir viele schöne afrikanische Sundowner gesehen, und wir werden diese fast tägliche Zeremonie ein bisschen vermissen.
Jetzt aber heißt es zurück nach Windhoek, um Luna zum Service zu bringen, noch einmal innen gründlich zu putzen und für ein paar Monate „einzuwintern“. Der Winter wartet zu Hause tatsächlich schon auf uns, wir freuen uns schon auf die Berge und das Schifahren in Tirol und Canada. Wie immer wird es nicht allzu lange dauern, bis wir uns wieder an die europäische Welt gewöhnen, getrieben von Effizienz, Tempo und Streben nach Optimierung in allen Lebensbereichen. Aus Afrika nehmen wir jedoch eine gute Portion innere Ruhe und Gelassenheit und durch den Aufenthalt im Busch stark geschärfte Sinne mit. Eines ist jetzt schon sicher: Im April holen wir Luna wieder aus ihrem Quartier ab und starten gemeinsam die nächste Tour auf diesem wunderbaren Kontinent!
Unsere Tipps zu Otjiwa (und Umgebung):
- Wenn man aus dem Norden nach Windhoek kommt oder umgekehrt 2-3 Stunden nach Windhoek auf der Fahrt in den Norden eine Pause einlegen will, eignet sich Otjiwa perfekt. Wir empfehlen diese Pause unbedingt, denn die langen, oft schnurgeraden Straßen können extrem ermüdend sein!
- Es gibt entlang der Hauptstraße von/nach Windhoek auch noch andere, vergleichbare Privatreservate, die alle schönes Busch-Feeling in sicherer Umgebung (mit wenigen Ausnahmen keine Elefanten, Büffel und Löwen) bieten – ideal für den Beginn einer Reise oder einen gemütlichen Abschluss.
- Auf Otjiwa kann man herrlich am Pool entspannen, sollte aber durchaus auch aktiv werden. E-Bikes sind eine besondere Erfahrung und für jeden machbar. Nur wenn es geregnet hat, sind die Pisten tief und ein wenig Geschick und/oder „echte“ Mountainbike-Erfahrung ist hilfreich. Da es keine Löwen gibt, kommen auch Reiter auf ihre Kosten, Pferde stehen bereit.
- Eine Spezialität auf Otjiwa ist das Pangolin-Tracking. Auf einer speziellen Tour (Start: 20:00 Uhr) begibt man sich auf die Suche nach den herzigen Schuppentieren.
- Das Onkonjima Nature Reserve ist der direkte Nachbar und für Katzen-Liebhaber empfehlenswert, ist es doch ein Standort der „AfriCat Foundation“, die sich vor allem auf die Beobachtung und den Schutz von Leoparden spezialisiert hat und auch einen Fokus auf Hyänen und Pangolins legt. Campsites und Lodges dort sind sehr luxuriös, aber auch erheblich teurer als Otjiwa. 15 Minuten Fahrt und ein „Day Visitor Pass“ schonen das Budget!
One response
Meine Lieben,
vielen Dank für die tollen Fotos und Berichte der letzten Wochen.
Geniesst die Zeit!
Liebe Grüße
Poldi